david gattiker

 

David Gattiker

Ein Berner, der lacht.

Von Beat Sterchi

David Gattiker liebt auch am Cello das Unvertraute, die Überraschung und den plötzlichen Einfall. Das disziplinierte organisieren von Tönen beherrscht er zwar auch, bloss das reicht ihm bei weitem nicht. Was er in der Musik am liebsten macht, lässt sich nicht trennen, von dem was er gerade lebt und fühlt und will und kann oder noch nicht kann, aber gerade können möchte und schon bald können wird, um danach alleine oder zusammen mit anderen abermals in Neuland vorzustossen.

David Gattiker liebt immer jene Musik, die es noch nicht gibt oder die er noch nie gehört hat. Und er hasst Schubladen. Trotzdem landet er immer wieder mal in einer. Meistens in der falschen. Wird er als anarchistischer Krachmacher klassifiziert, kann er aber darüber lachen. "Du schlägst keine Leute, keine Tiere und du machst keine Instrumente kaputt"! So ist er aufgewachsen. Und doch hat er während seiner Zeit am Konservatorium auf der Münsterplattform mindestens eine Gitarre kurzerhand zertrümmert und mehr als einmal hatte er auch schon die beinahe unüberwindbare Lust, sein Cello in die Luft zu sprengen. Und zwar nur, weil er an seinen eigenen Ansprüchen verzweifelte, dabei wütend wurde über dieses Instrument, zu dem er in einer intensiven Beziehung steht, die noch immer lebt, sich entwickelt, die aber auch von gnadenlosem Frust überschattet sein kann. Denn nicht alles ist möglich. Nicht alles ist sofort möglich.

Dass er aber sein Instrument nach Möglichkeit selber flickt, passt dazu. Ganz Handwerker, als den er sich als Musiker auch vesteht, hat er bei einem Stimmriss einem seiner Celli selbst das Futter eingefügt. Es kostete ihn zwar drei Tage, weil ihn aber das Eigenleben seiner Instrumente interessiert, wie ihn alles interessiert, was mit Ton und Klang zu tun hat, betrachtet er auch diese Erfahrung als eine Bereicherung.

Eigentlich sei er als Musiker ein Hörer, sagt er im Gespräch. Und das sei schon immer so gewesen. Es gibt ein Foto von David Gattiker, auf welchem er als Knirps im Vorschulalter seinen unverwechselbaren Kopf leicht auf eine Hand stützt und mit der anderen auf einem alten Kasten von einem Grammophon eine Platte auflegt. Die Ohren sieht man nicht, aber man fühlt, wie gespitzt sie sind. Er ist voll bei der Sache. Sein Vater, der zusammen mit seiner Mutter in den Fünfzigerjahren die legendären Hauskonzerte im Klapperläubli oben am Berner Nydeggstalden zu organisieren begann, soll über ihn gesagt haben, man brauche ihm nur einen Stapel Platten zu geben, dann sei für Kleindavid gesorgt.

Dass er bei diesen Hauskonzerten, bei welchen die Komponisten oft selbst mitspielten und auch oft in der Wohnung seiner Eltern probten, sehr früh einen sehr offenen Zugang zu Musik kennenlernte, sollte ihn für's Leben prägen. Berührungsängste kennt er keine. Er widmet sich eifrig auch sogenannten Trivialmusikprojekten, spielt überhaupt überall gerne mit, wo Herz und Seele mitklingen und mitschwingen. Und sei es in den drei simplen Akkorden eines Akkordeonisten aus dem Oberland oder in der Musik von Stiller Haas oder bei den Auftritten von Stephan Eicher.

Ebenfalls prägend und ausschlaggebend für seine Musik war ein Aufenthalt in New York als Stipendiat der Stadt Bern. Nach dem "Konsi" sei ihm diese Zeit als Befreiung vorgekommen. Er habe sich auch auf der Stelle heimisch gefühlt in dieser Szene, in welcher es keine Tabus gebe. Er lernte Musiker kennen, mit welchen er in verschiedenen Clubs im East Village auch spielte und öffentlich auftrat, und die für ihn zu wichtigen Freunden wurden. Auch traditonellen Jazz habe er damals gespielt.

Vergleichbar anregend gestaltete sich für David Gattiker in den darauffolgenden Jahren seine Auftritte mit der Gruppe KIXX. Man spielte frei improsvisierten wilden Rock und besonders auf Tournee durch die ehemalige DDR lernte er auf der andern Seite der Mauer eine unglamouröse, jedoch lebendige Musikszene kennen. Besonders beeindruckte ihn dort, zu welchem Grad, sich die Kunstschaffenden spartenübergreifend miteinander austauschten.

Schon damals führte ihn das Ringen mit seinen Vorstellungen von Musik als Teil seines Lebens weg vom Mainstream, was ihn überhaupt nicht stört. Kunst sei immer elitär, damit habe er keine Mühe, sagt David Gattiker mit einer für ihn typischen Mischung aus unbernischem Selbstbewusstsein und echt bernischer Unaufdringlichkeit. Er stelle hohe Ansprüche an sich selbst und mindestens die Kinder, mit welchen er in Schulprojekten arbeitet, wüssten dies zu schätzen. Die spürten nämlich, dass man die Musik ernst nimmt, dass man ringt, immer wieder neu um den echten Ton in jedem Augenblick. Wenn man schon Musik macht, dann doch diese, die man selbst wirklich hören will! Sagt er und lacht.

In dem von ihm gegründeten European Chaos String Quintet hat sich David Gattiker auf dem ganzen Kontinent Gleichdenkende und Gleichgesinnte zusammengesucht. Der Anspruch ist entsprechend hoch. Ohne Noten beginnt das European Chaos String Quintet jeden seiner Auftritte wie ohne Netz bei Null. Gehuldigt wird nicht dem Trend, alles einmal Aufgenommene zu Samplers zusammenzubauen, vielmehr wird unter möglichstem Umgehen der überall lauernden Klischeefallen, das eigene, das dem Augenblick verhaftete, sowohl für das Quintet selbst wie auch für die Zuhörenden einzigartige und authentische Musikerlebnis gesucht und erfreulicherweise auch immer wieder verblüffend frisch und überraschend gefunden.

 

siehe auch